Frühlingssonate

Diesen Namen trägt eine Sonate für Violine und Klavier, Beethovens Opus 24 in F-Dur.

Der Name freilich stammt nicht von Beethoven, sondern ist Beiwerk der Romantik und beschreibt lediglich den Charakter des Werks, welches durch lichte Melodik und sanft fliessenden Rhythmus ein ziseliertes Gewebe aus Pianoforte und Violine spinnt, so dass Suggestionen von blühenden Blumen, weiten Wiesen, Feldern und dahinplätschernden Bächen durchaus sinnhaftig erscheinen.

Doch es ist die Entstehungszeit, in welcher dieses Werk entstanden ist, die so ganz anders war, als uns die Musik einzugeben versucht.

Beethoven befindet sich in den Jahren 1800 und 1801 in einem wahren Schaffensrausch:

Streichquartette, Klaviersonaten, zwei Violinsonaten, eine Sonate für Horn… Er experimentiert mit einem Oratorium, schreibt ein Ballett, zwei Romanzen für Violine und Orchester spuken auch schon in Skizzen herum –  und das alles gleichzeitig und im ständigen Wechsel von einem Stück zum anderen.

Was geschieht da? Beethoven wird getrieben von einem zunehmenden Leiden seines Hörvermögens, er leidet unter Schmerzen einzelner Körperglieder und immer öfter vernimmt er laute Töne in seinem Kopf, die den Umgang mit seinen Mitmenschen schwerer und schwerer machen. So zieht er sich zurück und gräbt sich ein. Versinkt in Depressionen und Zukunftsängsten, sorgt sich nicht zu Unrecht um das materielle Auskommen, findet Helfer und Freunde, doch die Krisis spitzt sich mehr und mehr zu, bis dass er in der Kur in Heiligenstatt ein Testament verfasst, in dem er seinem Leiden in schriftlicher Form freien Lauf lässt und uns dadurch tiefe Einblicke in die Seele eines zutiefst leidenden Menschen gibt.

Was hat das nun mit der Frühlingssonate und was mit unserer momentanen, absurden, beängstigenden Lebenssituation zu tun? Im Zusammenkommen mit Mitmenschen erkennt man schnell Ratlosigkeit, Unsicherheit, Ängste und auch Verzweiflung. Die Informationslage ist durchaus diffus, die Ratlosigkeit groß, die Verunsicherung allerorten.

Ein Frühling im Hause unter Quarantäne.

Was aber bedeutet der Frühling? Im Besonderen metaphorisch?

Besonders in früheren Zeiten bedeutete er Aufbruch, nach dem Eingesperrtsein im Winter findet das Leben nun wieder im Freien statt.

„ Dann Blümlein alle, heraus, heraus, der Mai ist kommen, der Winter ist aus!“

Kennen wir doch, dieses Gefühl!

„Im wunderschönen Monat Mai…“  Kennen sie Heine und die Dichterliebe? Von Schumann herzallerliebst in Lieder gesetzt für seine geliebte Klara…

Und nun das!

Doch schauen wir vor unsere Tür, findet sich auch dort viel Kreatives, gibt es Dinge, die längst verloren schienen. Ein besonderes Beispiel: Spazieren gehen. Man sieht sie wieder, Jung und Alt, mit und ohne Hund, auf dem Fahrrad, allein oder in Gruppen – herrlich, und sie scheinen die Natur in vollen Zügen zu genießen. Ein Wunder!

Oder ein weiteres erstaunliches Erwachen erlebe ich im Zusammenhang mit La Caccia Audio:

Zu Hause wird wieder Musik gehört, die alten Schallplatten werden entstaubt, Erinnerungen werden wach, die ein oder andere Flasche Wein aufgezogen, und ein eigenartiges Gefühl macht sich im Innern breit – mit einem genüsslichen Seufzer, nur all zu vertraut: Ruhe, Entspannung, Zufriedenheit!

Die Sonate endet mit einem Rondo (Allegro ma non troppo) also nicht zu eilig!

Nun, carpe diem. Nutzen wir diese Tage um wiederzufinden, was scheinbar lange schon verloren geglaubt und freuen wir uns über jeden Tag der noch kommen mag, gemeinsam mit lieben Menschen, guter Musik und einem guten Tropfen Was-Auch-Immer.